Präambel: ich mag den Menschen und den Typen Skripnik. Er ist in seiner Art authentisch und auch sympathisch. Ich mochte ihn schon als Spieler und ich erkenne an, dass er jahrelang Werder die Treue gehalten hat. Es geht in dem nun folgenden Text lediglich um die Bewertung seiner Arbeit als Trainer.
Eine der ersten Amtshandlungen Frank Baumanns müsste in dieser Woche eigentlich die Demission Viktor Skripniks sein. Nicht nur, um seine eigene Position zu finden (davon an anderer Stelle bald mehr), sondern, um Werder zu schützen.
Skripnik ist aus meiner Sicht aus verschiedenen Gründen nicht mehr haltbar und sollte ersetzt werden. Ein Trainerwechsel jetzt erspart meines Erachtens dem Verein in der kommenden Saison viel Leid und Sorge. Ob dies mit einem neuen Trainer besser werden würde? Das weiß man nie im Vorfeld. Aber ob man mit Skripnik eine bessere Saison hinbekommt? Das wage ich doch sehr zu bezweifeln.
Skripnik und die Mannschaft: hier scheint es Unstimmigkeiten zu geben. Offiziell stellt sich die Mannschaft – vor allem seine ehemaligen Mitspieler Fritz und Pizarro – deutlich hinter ihn. In verschiedenen Medien war aber davon zu lesen, dass im Saisonendspurt die Mannschaft Skripnik quasi entmachtet hat und Training, Trainingslager (angeblich gewünscht vom Team), Aufstellung und Taktik selber festgelegt hat. Wenn dem wirklich so war, dann kann die logische Konsequenz nur sein: Skripnik ist gegenüber der Mannschaft eine sogenannte „lame duck“.
Skripnik und die Medien: das Verhältnis von Skripnik zu den Medien ist seit längerer Zeit – sagen wir – angespannt. Er ist vielleicht das eine oder andere mal durch seine Art angeeckt, hat mehrfach Sachen gesagt, die man besser so nicht gesagt hätte. Kann man alles noch damit erklären, dass sein Deutsch nicht das Beste ist, dass er eben „so ist“ und dass man nicht alles auf die Goldwaage legen sollte. In der heutigen Zeit wird aber alles auf die Goldwaage gelegt und da muss sich Skripnik einfach sagen lassen, dass er da tatsächlich einige ziemliche Böcke in der Kommunikation hatte. Darüber hinaus ist er die Medien mehr als einmal auch ohne Not angegangen. Eine wirklich innige Beziehung wird es nicht mehr – braucht es aber eigentlich auch nicht, wenn denn Erfolg da wäre.
Skripnik und die Taktik: Skripnik-Befürworter führen gerne an, dass Werder ja gegen Bayern, im Pokal, in Dortmund, in Gelsenkirchen gut gespielt hätte und man mit Rückrundentabellenplatz 8 ja durchaus im Soll lag. Ja, gegen diese Teams und im Pokal hat man gut gespielt. Aber das alleine macht keine gute Saison. Und auch keine Taktik. Über die gesamte Saison hinweg hat es Skripnik nicht geschafft, gegen die „Mitbewerber“ eine gute Taktik bzw. der Mannschaft einen Matchplan zu geben. Die Spiele in der Hinrunde gegen Ingolstadt, Darmstadt, Hannover waren eine absolute Frechheit (die picke ich raus, weil ich sie auch noch live im Stadion gesehen habe). Wenn eine Mannschaft mitgespielt hat, war Werder gut (oder wenn Werder musste). Gegen eine Mannschaft, die abwartete, hat Werder mit schöner Regelmäßigkeit versagt. Absolut unverständlich. Als leuchtende Beispiele mögen die beiden Nordderbies herhalten: Taktik und Einstellung in beiden Spielen mangelhaft. Der HSV hatte jedes Mal mehr Griff, mehr Taktik und auch mehr Biss als Werder und hat so zwei Mal vollkommen gerechtfertigt gewonnen.
Skripnik und die Einstellung: Momentum gab es bei Werder diese Saison genug, um Serien zu starten oder Schwung zu nutzen oder was auch immer. Ich erinnere mich an den Auswärtssieg in Hoffenheim. Piza-Verpflichtung, in der Nachspielzeit das Spiel gewonnen und drei vermeintlich leichte Spiele vor sich. Nutzt man das Momentum, läuft die Saison mit Sicherheit anders. Was kommt? Drei Niederlagen. Pokalspiel in Mönchengladbach. Werder spielt begeisternden Fussball. Was passiert in der Liga? Nix. Pokalspiel in Leverkusen. Werder spielt begeisternden Fussball. Was passiert in der Liga? Nix. Werder gewinnt in der Liga in Leverkusen. Danach? Nix. Und so weiter und so fort. Mehr als einmal hat man gedacht: jetzt hat Werder es begriffen, jetzt spielt Euch doch mal in eine Serie. Jedes Mal wurde man enttäuscht. Und das ist eindeutig ein Trainerfehler. Wenn Skripnik den richtigen Plan hatte, hat er den nicht an die Mannschaft kommuniziert bekommen (schlecht) oder die Mannschaft hat sich nicht dran gehalten (noch schlechter). Wenn Skripnik nicht den richtigen Plan hatte ist es an sich ein Armutszeugnis. Skripnik hat es meines Erachtens einfach nicht geschafft, die Mannschaft über die Saison hinweg gut einzustellen. Dass es immer mal wieder Aussetzer gibt, geschenkt. Aber die Aussetzer waren eben zu häufig.
Skripnik und die Gegentore: natürlich, der Trainer kassiert die Gegentore nicht. Ja, auch Schaaf in seiner Endzeit und auch Dutt haben es nicht geschafft, die Defensive zu stabilisieren. Aber nur, weil seine Vorgänger versagt haben, heißt es nicht, dass man Skripnik dies nicht auch vorhalten kann. Bei Dutt gab es eine Phase, da war es schwer, gegen Werder ein Tor zu schießen (obwohl Wolf im Tor stand). Da war das Problem, dass die Mannschaft nach dem ersten Gegentor auseinander gebrochen ist. In der vergangenen Saison war es obligatorisch, gegen Werder ein Tor zu schießen (bezeichnend, dass Werder in der Liga nur in den letzten beiden Spielen ohne Gegentor blieb). Am Personal lag es nicht. Jeder einzelne für sich ist ein guter Spieler, was er in anderen Vereinen schon nachgewiesen hat. Da frage ich mich: warum schafft es Skripnik nicht, hier Stabilität rein zu bringen? Sich darauf zu verlassen, dass man vorne ja schon trifft, ist eine spannende Idee, wirkt aber nicht mehr so richtig. Die alte Aussage, dass der Angriff Spiele gewinnt, die Defensive Meisterschaften, ist einfach immer noch und immer wieder aktuell.
Skripnik und die Jugend: der Werder-Weg, der Werder-Weg. Ein Wort, welches mir genauso aus den Ohren heraushängt wie „Umbruch“. Als Skripnik angefangen hat, war eine seine Aussagen sinngemäß, dass er auch dem Nachwuchs eine Chance geben sollte. In der ersten Saison hat er Selke zum Stammspieler gemacht, in dieser Saison Grillitsch. Das ist ok. Aber sonst? Viele der Nachwuchsspieler haben kaum eine Chance bekommen. Maxi Eggestein? Zwei Spiel von Beginn an, war öfters im Kader, wurde nur selten eingewechselt. Fröde? Haacke? Jo Eggestein? Zander? Hüsing? Lorenzen? Es gab genug U23-Spieler, denen man durchaus die Möglichkeit geben wollte, sich in der Bundesliga zu beweisen. Wirkliche Chancen haben sie nicht bekommen. Stattdessen durften formschwache Spieler immer und immer wieder ran. Hätte Skripnik konsequent dem Nachwuchs eine Chance gegeben und wären die Spiele dann so schlecht gewesen und die Saison so gelaufen, wie sie gelaufen ist, dann hätte ich dafür vollstes Verständnis gehabt. So aber nicht.
Skripnik und der Plan: wofür steht Werder fussballerisch? Na? Genau. Für nix. Werder ist fussballerisch vollkommen ersetzbar gewesen. Eine Spielphilosophie? Fehlanzeige. Selbst Augsburg, Ingolstadt, Darmstadt haben fussballerisch ein klares Profil (ob man das nun als Ästhet gut findet oder nicht, ist eine andere Diskussion). Mainz sowieso. Aber wofür steht Werder? Man weiß es nicht. Für was steht Skripnik fussballerisch? Nicht, wofür er stehen will, sondern wofür er tatsächlich steht. Für nix. Was man aus einem ordentlichen Kader mit einem Plan herausholen kann, hat diese Saison Hertha gezeigt. Davor das Jahr war es Augsburg, dann man Frankfurt. Es gab in den letzten Jahren immer eine Überraschungsmannschaft, die sich oben festgesetzt hat. Und in keinem Fall war der Kader wirklich stärker als der von Werder. Aber die Trainer hatten einen Plan. Dardai diese Saison hatte einen Plan. Und der ist aufgegangen. Hatte Skripnik einen Plan? Man weiß es nicht. Aber dass man alleine schon diese Frage stellen muss: schlimm.-
Skripnik und der Anspruch: Eichin hat vor der Saison gesagt, dass das Saisonziel sei, irgendwo zwischen 6 und 9 zu landen und so lange wie möglich die Chance zu haben, europäisch zu spielen. Eichin hat eigentlich nie aussergewöhnliches gefordert oder irgendetwas vollkommen unrealistisch eingeschätzt. Auch viele Experten haben Werder irgendwo im gesicherten Mittelfeld gesehen. Der Kader war und ist auf jeden Fall stark genug dafür. Auf jeden Fall ist er zu stark für den Klassenerhalt 2 Minuten vor Ende der Saison. Bis auf Johannsson und Bargfrede gab es kaum schwere Verletzungen. Wenn man da den Anspruch und die Wirklichkeit gegeneinander setzt, muss man sagen: Skripnik hat versagt.
Skripnik und das Fazit: was bleibt ist, dass Skripnik bis jetzt einer der schlechtestens (vom Punkteschnitt) Trainer der Werder-Historie ist. Die Heimbilanz bis auf die letzten drei Spiele? Desaströs. Werder hat den Klassenerhalt nicht geschafft, weil sie so gut waren, sondern weil Hannover, Stuttgart und im Endeffekt auch Frankfurt noch schlechter waren als Werde. Eine Spielerentwicklung und die Entwicklung einer Spielphilosophie ist nicht erkennbar.
Skripnik ist krachend gescheitert. Deshalb bleibt meines Erachtens für Frank Baumann nur eins: einen Trainerwechsel.